Die Vorschrift des § 266a StGB stellt einen zentralen Tatbestand des Arbeitsgeberstrafrechts dar und ist praktisch von enormer Bedeutung. Besondere Schwierigkeiten bereitete die Vorschrift in der Vergangenheit aufgrund einer verjährungsrechtlichen Besonderheit. Diese führte dazu, dass entgegen den allgemeinen Grundsätzen sehr weit zurückreichende Zeiträume verfolgt werden konnten. Diesen Widerspruch zu allgemeinen Verjährungsregeln hat der BGH nunmehr in einer neueren, praktisch höchst bedeutsamen Entscheidung beseitigt.
Besonderheiten der Verjährung beim Vorenthalten von Arbeitsentgelt
Die allgemeinen strafrechtlichen Verjährungsfristen sind – im Rahmen eines abgestuften Systems – in § 78 StGB geregelt. Diese knüpfen regelmäßig an die Beendigung der Tat an. Hierunter versteht man, über die reine Vollendung hinausgehend, einen Zustand, in dem die Tat endgültig abgeschlossen ist, insbesondere materielle Vorteile endgültig gesichert sind.
In Bezug auf den Tatbestand § 266a StGB wurde eine Beendigung erst mit Erlöschen der sozialrechtlichen Pflicht zur Abführung der jeweiligen Beiträge angenommen. Hierfür sah das Sozialrecht seinerseits eine Frist von dreißig Jahren vor. In der Praxis führte dies dazu, dass Vorwürfe nach § 266a StGB dem normalen Verjährungssystem entzogen waren und besonders weite Zeiträume einer strafrechtlichen Ahndung zugänglich waren. Theoretisch konnten Jahrzehnte zurückliegende Fallgestaltungen verfolgt werden. Dies führte zum einen zu besonders hohen Schadensbestimmungen durch die Ermittlungsbehörden. Zum anderen waren die praktischen Schwierigkeiten – auch für die Verteidigung gegen entsprechende Vorwürfe – enorm.
Entscheidung des BGH vom 13. November 2019
Die Strafsenate des BGH haben dieses widersprüchliche Ergebnis nunmehr korrigiert. Ausgangspunkt war der Anfragebeschluss des 1. Strafsenats vom 13. November 2019 (1 StR 58/19). Die übrigen Senate des BGH haben inzwischen erklärt, dass sie an etwa entgegenstehender Rechtsprechung nicht festhalten.
Entscheidender Zeitpunkt für den Beginn der Strafverfolgungsverjährung sei – so der BGH in der angeführten Entscheidung – in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung das Verstreichenlassen der Beitragspflicht. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Charakter der Vorschrift als ein Erfolgsdelikt. Entsprechend führt der BGH (a.a.O., R. 12) aus:
Demgemäß tritt in Bezug auf § 266a Abs. 2 Nr. 1 StGB Beendigung mit vollständigem Eintritt des angestrebten Erfolges, d.h. im Fälligkeitszeitpunkt der Beiträge ein, so dass die Verjährungsfrist in diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt.
Insbesondere sei der Schaden zu diesem Zeitpunkt endgültig und irreversibel eingetreten. Es sei daher nicht geboten, ein darüber hinausgehendes Unterlassen als strafrechtlich relevant zu erfassen. Zentrales Argument gegen die bisherige Rechtsprechung sei, dass die in Fällen des § 266a StGB erreichte „Gesamtverjährungsdauer“ unangemessen lang und mit dem System der Verjährungsvorschriften nicht vereinbar sei. Diese erreiche gegebenenfalls eine Länge von mehr als 35 Jahren. Eine solche lange Zeitspanne sei weder unter dem Gesichtspunkt des Rechtsfriedens noch unter verfahrensökonomischen Erwägungen angemessen oder erforderlich. Systematisch spreche auch der Vergleich zur Lohnsteuerhinterziehung nach § 370 AO für die nunmehr geänderte Rechtsauffassung.
Verjährung im Wirtschaftsstrafrecht
Der Bundesgerichtshof hat mit der aufgezeigten Rechtsprechung eine Unstimmigkeit beseitigt. Dies ist in praktischer und dogmatischer Hinsicht nur zu begrüßen. Der Aufklärbarkeit über Jahrzehnte zurückreichender Vorgänge waren faktische Grenzen gesetzt. Dem wird die Rechtsprechung nunmehr gerecht.
Es sollte dabei nicht aus dem Blick verloren werden, dass auch die allgemein Verjährungsvorschriften eine weit reichende Ahndung von Straftaten ermöglichen. Dies ergibt sich insbesondere aus den Unterbrechungstatbeständen des § 78c StGB, welche regelmäßig zu einem Neubeginn der allgemeinen Verjährungsfrist führen. Gleichwohl spielen Verjährungsfragen im Wirtschaftsstrafrecht immer wieder eine wesentliche Rolle. Dies ergibt sich unter anderem daraus, dass die Aufklärung komplexer Vorwürfe regelmäßig ebenfalls eine lange Zeit in Anspruch nimmt. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass selbst die großzügigen Fristen des allgemeinen Verjährungsrechts überschritten werden. Die Verjährung kann dabei wohlgemerkt auch nur einzelne Taten erfassen und etwa zu einer wesentlichen Reduzierung des angeblichen Schadensumfangs führen.
Für den praktisch bedeutsamen Tatbestand des § 266a StGB ist nunmehr eine klare Rechtslage geschaffen worden.
Dr. Jan Philipp Book
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