Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit des Betreibens krimineller Handelsplattformen im Internet (BT Drucks. 19/28175) vorgelegt. Der Entwurf soll Strafbarkeitslücken schließen und sieht im Kern die Schaffung eines neuen Straftatbestandes vor. Die neu zu schaffende Vorschrift des § 127 StGB stellt das Betreiben krimineller Handelsplattform im Internet sowie das Bereitstellen entsprechender Server-Infrastruktur unter Strafe.
Strafbarkeitslücken?
Der Entwurf will insbesondere auf die fortschreitende technische Entwicklung reagieren. So führt die Begründung aus, die Bedeutung krimineller Handelsplattform im Internet nehme in spezifischen Deliktsbereichen immer weiter zu.
„cybercrime as a service“
Zu nennen seien insbesondere der Handel mit Waffen, Drogen, Ausweis und Kreditkartendaten sowie Kinderpornographie. Der Betreiber einer entsprechenden Handelsplattform könne zwar grundsätzlich wegen der Teilnahme an entsprechenden Taten belangt werden. Dies setze jedoch grundsätzlich Kenntnis der entsprechenden Handelsvorgänge voraus. Hieran könne es fehlen.
Unzureichende Erfassung automatisierter Plattformen
Werde die Plattform allerdings vollautomatisch betrieben, fehle es aber regelmäßig an den subjektiven Voraussetzungen einer Beihilfe. Dies führt zu folgender, in ihrer Allgemeinheit bemerkenswerter Schlussfolgerung (BT Drucks. 19/28175, S. 10):
„Insoweit ist die bisherige strafrechtliche Konstruktion von Täterschaft und Teilnahme nicht immer geeignet, moderne Formen der Kriminalität insbesondere im Bereich des Internets angemessen zu erfassen. Daher bedarf es einer Ergänzung der strafrechtlichen Regelungen.“
Entwurf des § 127 StGB
In Reaktion sieht der Gesetzentwurf die Schaffung eines neuen Straftatbestandes § 127 StGB vor. Zentral lautet der Tatbestand wie folgt:
„Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.“
Es handelt sich um eine reine Auffangvorschrift. Kann eine konkrete Beteiligung an der Haupttat, welche mit schwererer Strafe bedroht ist, nachgewiesen werden, tritt die Vorschrift zurück.
Beschränkung auf Plattformen mit rechtswidrigen Zweck
Ein wesentliches Anliegen des Gesetzentwurfs ist die Beschränkung der Strafbarkeit auf Plattformen, die ausschließlich rechtswidrigen Zwecken dienen. Plattformen mit rechtmäßigen Geschäftsmodell und Angebot sollen bereits tatbestandlich ausgenommen und ausdrücklich in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht beeinträchtigt werden (BT Drucks. 19/28175, S. 15). Eine Plattform, welche lediglich von einzelnen Nutzern zu illegalen Zwecken missbraucht wird, unterfällt der Regelung nicht.
Wann dient eine Plattform rechtswidrigen Zwecken?
Die Wertung, ob eine Plattform auf rechtswidrige Zwecke ausgerichtet ist, soll anhand aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere etwa der Angebotsstruktur, zu treffen sein. Einzelne legitime Angebote, welche lediglich der Verschleierung anderweitiger rechtswidriger Geschäfte dienen, sollen der Einordnung als Plattform im Sinne des Tatbestandes nicht entgegenstehen.
Katalogstraftaten: welche Straftaten werden erfasst?
Der Entwurf des § 127 StGB enthält einen umfangreichen Katalog von Straftaten, welche rechtswidrige Taten im Sinne der Vorschrift darstellen. Neben sämtlichen Verbrechen werden umfangreiche Vergehen aus dem StGB sowie zahlreiche Vorschriften aus dem Nebenstrafrecht in Bezug genommen. Zu nennen sind insofern etwa Straftaten nach dem Waffengesetz, dem Sprengstoffgesetz und dem Markengesetz.
Strafbarkeit der Bereitstellung von Server-Infrastruktur
Besonders weitreichend ist die Vorschrift insofern, als sie auch die absichtliche oder wissentliche Bereitstellung von Serverinfrastruktur für eine Handelsplattform im Sinne der Vorschrift unter Strafe stellt. Durch die gesteigerten subjektiven Anforderungen soll sichergestellt werden, dass nur straffällige Fälle erfasst werden. Bedingter Vorsatz genügt insofern nicht.
Ausweitung strafprozessualer Befugnisse
Die Vorschrift wird von strafprozessualen Änderungen begleitet. Die Ermittlungen sollen insbesondere durch Telekommunikationsüberwachung (§ 100a StPO) und – bei Qualifikationsfällen – auch durch sogenannte Online-Durchsuchung (§ 100b StPO) erfolgen können. Angesichts der technischen Prägung entsprechender Verfahren liegt dies aus kriminalistischer Sicht auch nahe.
Bedeutung des Entwurfs und künftige Entwicklung
Der Gesetzgeber macht mit vorliegendem Entwurf deutlich, dass er bereit ist, auf technische Entwicklungen und Erscheinungsformen von Kriminalität auch mit neuen Tatbeständen zu reagieren. Mit Blick auf ausschließlich kriminellen Zwecken dienende Handelsplattformen ist das gesetzgeberische Anliegen nachvollziehbar. Es sollte jedoch nicht aus dem Blick verloren werden, dass sie mit einer weiteren Ausweitung von Strafvorschriften und Ermittlungsbefugnissen einhergeht. Es steht zu erwarten, dass gerade im Bereich des sogenannten „cybercrime“ weitere Strafverschärfungen erfolgen werden. Die ständige Ausweitung auch heimlicher Ermittlungsmethoden ist aber durchaus kritisch zu sehen.
Dr. Jan Philipp Book
Weitere Fachartikel
- Sonstiges
- Sonstiges
- Sonstiges