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Beihilfe zur Insolvenzverschleppung?

Vorwürfe nach § 15a Abs. 4 InsO zielen regelmäßig auf die Geschäftsführer, können gelegentlich aber auch andere Personen erfassen. Eine jüngere Beschwerdeentscheidung des Landgerichts Lübeck (Beschluss vom 27. Februar 2023, 6 Qs 33/22, 6 Qs 33/22 – 720 Js 4897/20) lenkt den Blick auf genau eine solche Konstellation:

Vorwürfe der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft hatte dem beschuldigten Notar vorgeworfen, Beihilfe zur Insolvenzverschleppung geleistet zu haben. Insbesondere habe er bei der Beurkundung einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen Kenntnis davon gehabt, dass die Beteiligten keine ordnungsgemäße Abwicklung der Gesellschaft anstrebten, sondern vielmehr eine sogenannte Firmenbestattung planten. Das Amtsgericht lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens zunächst ab, da keine zureichenden Anhaltspunkte für eine Beihilfehandlung ersichtlich seien. Insbesondere liege keine berufsuntypische Handlung vor.

Entscheidung des Beschwerdegerichts

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft eröffnete das Landgericht gleichwohl das Hauptverfahren. Insbesondere bestehe – so die Kammer – im Ergebnis der hinreichende Verdacht einer Beihilfehandlung. Einleitend referiert das Landgericht die hergebrachten Grundsätze der sogenannten berufstypischen Handlung. Hiernach ist entscheidend, ob das vom Handelnden erkannte Risiko einer strafbaren Handlung derart hoch war, dass er sich die Förderung fremden Unrechts angelegen sein ließ. In der Folge zählt das Landgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung eine Vielzahl von Indizien auf, welche für einen Notar in der Beurkundungsituation Bedeutung erlangen können. Insbesondere folgende Gesichtspunkte können – so das Landgericht –  mit Blick auf das Vorliegen einer Firmenbestattung für die subjektive Tatseite Berücksichtigung finden:

  • Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile an einen Dritten,
  • Änderung der Firmierung,
  • wiederholter Wechsel in der Person des Geschäftsführers,
  • (mehrere) Sitzverlegung(en) der Gesellschaft an einen entfernt gelegenen Ort oder ins
    Ausland,
  • wiederholte Vereinbarung von Beurkundungsterminen durch eine nicht unmittelbar an
    der jeweiligen Beurkundung beteiligte Person, bei der erkennbar unerfahrene oder ungeeignete
    Personen zum Geschäftsführer bestellt werden,
  • Einstellung der werbenden Tätigkeit im Zusammenhang mit der Übertragung der Anteile
    und/oder Sitzverlegung,
  • Unerreichbarkeit des neuen Geschäftsführers und/oder Verweis auf eine „Wirtschaftsberatungsgesellschaft“,
    mangelnde Kooperation des neuen Geschäftsführers,
  • Geschäftsführerstellung der als Geschäftsführer zu bestellenden Person bei einer Vielzahl
    weiterer Gesellschaften,
    Fehlen von Geschäftsunterlagen und Aktiva

„Erkennbarkeit der Firmenbestattung“

Dies wendet das Landgericht auf den zu beurteilenden Sachverhalt an. Es bestehe der hinreichende Verdacht, dass der Angeklagte Notar bei Beurkundung erkannt habe, dass eine sogenannte Firmenbestattung angestrebt sei.

Der Notar habe in einem längeren Zeitraum mehrere Beurkundungen vorgenommen, an denen die gleichen Personen wie bei der in Rede stehenden beteiligt gewesen seien. Dieselbe Person habe als Ansprechpartner fungiert. Als Erwerber traten Personen aus Südamerika in Erscheinung, welche jeweils vertreten wurden.

Der Notar hatte zudem mehrere Beurkundungen von Sitzverlegungen an die Wohnadresse eines Beteiligten vorgenommen. Auch war ihm aus den vorangegangenen Vorgängen bekannt, dass die Erwerber vielfach schwer erreichbar bzw. nicht auffindbar waren.

Zusammenfassend bejahte das Landgericht das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts und eröffnete das Hauptverfahren.

Ausblick

Gerade das Vorliegen einer sogenannten Firmenbestattung kann für den beurkundende Notar im Einzelfall erkennbar sein. Es gibt durchaus Konstellationen, in denen die hinter dem Vorgang stehende Motivation kaum verborgen ist. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn ein gewerblicher Vermittler eingebunden ist. Natürlich wird die Erkennbarkeit dann eher bejaht werden, wenn ein Vermittler gleich mehrere oder gar regelmäßig Beurkundungen vornehmen lässt.

Unter dem Stichwort der berufstypischen bzw. neutralen Handlung wird letztlich ein Erfordernis des subjektiven Tatbestandes diskutiert. Eine Privilegierung oder gar weit reichende Einschränkung von Tatbeständen ist damit nicht verbunden.

Gerade beim Aufkommen von Verdachtsmomenten ist auch für beteiligte Berufsträger durchaus Vorsicht anzuraten. Dies bedeutet natürlich nicht, dass jeder Beurkundungsvorgang gleichsam unter Generalsverdacht gestellt werden soll. Sofern sich aber Anzeichen für eine ungewöhnliche Veräußerung von Geschäftsanteilen, etwa an erkennbar geschäftlich unerfahrene oder überforderte Person, ergeben, kann dies anders zu beurteilen sein. In der Praxis gibt es immer wieder auch Situationen, die sich als durchschaubar erweisen.

Diese können dann auch durchaus strafrechtlichen Folgen für den Betroffenen führen. Das Landgericht Lübeck geht in der vorgestellten Entscheidung durchaus weit, wenn auch nur das Vorliegen der Eröffnungsvoraussetzungen zu beurteilen war..

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